Vertrauen als Währung: CDR-Initiative diskutiert über Gestaltung der digitalen Transformation
Die CDR-Initiative des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat auf ihrer CDR-Konferenz prominente Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geladen, um über eine menschenzentrierte Gestaltung der digitalen Transformation zu diskutieren.
Berlin, 18 Juni 2021. Wie können wir die Digitalisierung menschenzentriert und gemeinwohlorientiert gestalten und welche Rolle spielen dabei unterschiedliche Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft? Diese grundlegenden Fragen standen im Zentrum der CDR-Konferenz, zu der die
CDR-Initiative des BMJV am 9. Juni geladen hatte – und zwar nicht nur virtuell. Im großen Studio des DBB-Forums in Berlin konnten neben der Moderatorin Anja Heyde auch zahlreiche Panelisten in ausreichendem Abstand nebeneinander Platz nehmen, um miteinander zu diskutieren.
Wirtschaft und ethisches Handeln: altgediente Widersprüche überwinden
Zu Beginn der Konferenz erläuterte Justiz- und Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht, dass ethisches Handeln und Wirtschaftlichkeit nicht im Widerspruch stünden:
-
„Nur Unternehmen, denen die Verbraucherinnen und Verbraucher vertrauen, werden ihre Stellung im Wettbewerb nachhaltig behaupten können. Der Digitalisierung kann sich niemand entziehen, deshalb müssen wir die Potenziale, die in ihr stecken, zum Wohle der Menschen nutzbar machen“
Christine Lambrecht
Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz
Auch Prof. Dr. Maja Göpel, Ökonomin und wissenschaftliche Direktorin der Denkfabrik „New Institute“, verwies in ihrer Keynote auf die Überwindung von Scheinwidersprüchen in der Debatte um Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Anstatt Innovation und Nachhaltigkeit gegeneinander zu positionieren, sollten sich unsere Überlegungen lieber auf die Digitalisierung als Treiber für Nachhaltigkeit konzentrieren.
Vertrauen lässt sich nicht per Gesetz verordnen
In den Paneldiskussionen wurde die Themenwelt der CDR allgemein und die Impulse der CDR-Initiative im Speziellen unter die Lupe genommen. Ob im Berliner Studio oder per Video zugeschaltet – in den Diskussionen wurden vielfältige Perspektiven aufgefächert, die die Panelistinnen und Panelisten mit ihren ganz unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen einbringen konnten.
Ein Schlüsselbegriff fiel in der Diskussion immer wieder: Vertrauen. Staatssekretär Prof. Dr. Christian Kastrop aus dem BMJV betonte gleich zu Beginn, dass sich „Vertrauen nicht per Gesetz verordnen lässt“, sondern vorgelebt und erarbeitet werden müsse. Nur so lasse sich langfristig auch eine allgemeine Akzeptanz der Digitalisierung in der Bevölkerung erreichen. Doch, so warnte der Staatssekretär, „wo Vertrauen einmal verspielt wird, können ganze Wirtschaftszweige in Mitleidenschaft gezogen werden. Kastrop verwies dabei auch auf eine aktuelle, repräsentative Umfrage im Auftrag des BMJV, die zeigt, dass die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher die gesellschaftliche Unternehmensverantwortung sehr wichtig nehmen. Doch in der Praxis gestaltet sich die Verantwortungsübernahme laut Umfrage noch etwas holprig. „Zu häufig prägen Sorgen, zum Beispiel vor Datendiebstahl oder Finanzbetrug, den digitalen Alltag der Deutschen“, so Kastrop. Daher appellierte der Staatssekretär an die Unternehmenswelt allgemein, aufzuholen.
Unternehmensverantwortung in der Praxis: mehr als Lippenbekenntnisse
Dass Unternehmen sich ihrer Verantwortung sehr wohl bewusst sind und diese auch in der Praxis leben, zeigten einige Mitglieder der CDR-Initiative. Sowohl Joachim von Schorlemer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der ING Deutschland, aber auch Petra Scharner-Wolff, Vorständin für Finanzen, Controlling und Personal der Otto Group sprachen von der enormen internen und externen Wirkung einer Unternehmensverantwortung. Diese dürfe nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern sollte auch in der Praxis mit Leben gefüllt werden. „Nur, wenn wir es mit der Unternehmensverantwortung ernst meinen, nehmen uns unsere Kundinnen und Kunden, aber auch unsere Mitarbeitenden ernst“, erläuterte Joachim von Schorlemer. Frau Scharner-Wolff betonte in diesem Zusammenhang auch den konkreten Mehrwert eines kontinuierlichen Austausches zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik wie ihn die CDR-Initiative ermögliche. So können frühzeitig Handlungsfelder für eine werteorientierte digitale Transformation identifiziert, gemeinsam diskutiert sowie Leitplanken für die eigene Geschäftstätigkeit und den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden entwickelt werden.
Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser?
Die Vertreterinnen der Zivilgesellschaft, Carla Hustedt, Leiterin des Bereichs „Digitalisierte Gesellschaft“ bei der Mercator Stiftung und Elisabeth Lindinger, Geschäftsführerin des Superrr Labs, das sich mit Fragen der Diskriminierung bei KI-Anwendungen beschäftigt, verwiesen auf die nötige Transparenz und auch Evaluationen von CDR-Maßnahmen. „Gerade für die Wissenschaft und NGOs könnte eine wesentliche Rolle darin bestehen, Prozesse zu definieren und Indikatoren für die Wirksamkeit von CDR-Maßnahmen zu entwickeln“, so Lindinger. In dieser Hinsicht sei es besonders wichtig, einen kritischen Diskurs zu führen, um die konkreten Maßnahmen der CDR auf ihre Wirksamkeit abzuklopfen: „Viele Unternehmen haben die Bedeutung vom verantwortungsvollen Einsatz digitaler Technologien erkannt und dafür eigene Guidelines entwickelt. Damit diese Wirksamkeit entfalten, müssen wir jedoch Begriffe wie Transparenz oder Fairness konkretisieren und in überprüfbare Maßnahmen übersetzen“, so Carla Hustedt.
CDR: ein Begriff, viele Fragezeichen
Im zweiten Teil der Veranstaltung lag der Fokus der Diskussion konkret auf CDR-Maßnahmen und der Arbeit der CDR-Initiative. Dabei verwies die Moderatorin Anja Heyde zu Beginn auf eine Achillesverse der gesamten CDR-Welt: Viele Bürgerinnen und Bürger könnten mit dem Fachbegriff CDR noch gar nichts anfangen. Laut Birgit Klesper, Senior Vice President Group Corporate Responsibility der Deutschen Telekom, sei dies jedoch kein Grund, den Kopf hängen zu lassen: „Ganz egal wie wir es nennen, es geht um die digitale Verantwortung von Unternehmen und diese ist immer mehr Menschen ein Begriff. Dabei geht es darum, den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu zeigen, was wir konkret leisten und dass sie diese Leistungen auch transparent überprüfen können.“
Darija H. Bräuniger, Senior Manager Public Affairs bei Zalando, verdeutlichte dies an einem konkreten Beispiel: Zalando gebe zum Beispiel Größenempfehlungen, um Kundinnen und Kunden zu helfen, die richtige Größe zu finden und Retouren zu reduzieren. Dazu werden auch Daten verwendet, die bei Retouren entstehen. „Entscheidend dabei ist, dass wir unsere Kundinnen und Kunden darüber aufklären, wie solche Empfehlungen zustande kommen, um Transparenz herzustellen und Vertrauen aufzubauen“, so Bräuniger. Dieses Beispiel zeige, wie Unternehmensverantwortung für Kundinnen und Kunden auch beim Einkaufen erfahrbar sein kann.
Die Digitalisierung, das betonte Valentina Daiber, Chief Officer Legal & Corporate Affairs bei Telefónica Deutschland, könne dabei ein wichtiger Treiber für Nachhaltigkeit und damit CDR werden. „Dies erfordert jedoch maximale Gestaltungskraft“, so Daiber, „die ein breites gesellschaftliches Bündnis voraussetzt, um die Digitalisierung im Sinne aller verantwortlich zu gestalten.“
Inklusiv denken: CDR muss gesamte Gesellschaft besser ansprechen
Nicht nur das „Ob“, sondern auch das „Wie“ sei bei der vertrauensbildenden Kommunikation relevant, so Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21: „Verantwortliches Unternehmenshandeln bedeutet anzuerkennen, dass die digitale Gesellschaft sehr heterogen ist. Wir müssen sicherstellen, dass möglichst alle die Chance erhalten zu profitieren, z.B. durch eine zielgruppenspezifische Kommunikation. Mit Blick auf den Digital Gap müssen Ältere oder Personen ohne Uni-Abschluss mehr berücksichtigt werden.“ In diesem Zusammenhang, so ergänzte Prof. Dr. Dr. Alexander Brink von der Universität Bayreuth, sei auch der von den ersten Unternehmen unterschriebene Kodex der CDR-Initiative ein wichtiger Meilenstein, mit dem sich die Mitglieder unter anderem im Handlungsfeld „Inklusion“ selbst verpflichten, Zugangsbarrieren zu ihren Dienstleistungen für Kundinnen und Kunden zu senken. „Der Kodex ist ein wichtiges Instrument um Organisationsvertrauen herzustellen, das gerade in der Online-Welt, die häufig durch Anonymität geprägt ist, immer wichtiger wird“ so Brink.
Der Begriff Inklusion war für die Runde schlussendlich sowohl als Anspruch und als Auftrag für die Zukunft zu verstehen. Denn gefragt nach den wesentlichen Wünschen für die CDR-Zukunft, gab es einen Konsens auf dem Panel: Wir müssen mehr Menschen, auch auf internationaler Ebene, für das Konzept der Unternehmensverantwortung im digitalen Zeitalter gewinnen. Wie das aussehen kann, darüber könnte die nächste CDR-Konferenz Aufschluss geben, die zukünftig einmal im Jahr stattfinden soll.